
Über das Sticken
Sticken hat eine lange Geschichte und wurde bereits vor Tausenden von Jahren praktiziert. Erste Funde stammen aus dem Alten Ägypten, China und Mesopotamien. Im Mittelalter war es besonders in Europa weit verbreitet, vor allem in der kirchlichen Kunst und bei höfischer Kleidung. Es diente früher nicht nur der Zierde, sondern auch zur Darstellung von Reichtum und Status.
Sticken ist eine der ältesten textilen Handarbeitstechniken und eine Form weiblichen Ausdrucks und Überlebenskunst. In vielen Epochen hatten Frauen keinen Zugang zu öffentlichen oder künstlerischen Berufen.
Es war eine gesellschaftlich akzeptierte Form der Kreativität, durch die Frauen sich ausdrücken konnten – manchmal offen, oft subtil. In Mustern, Symbolen oder Texten konnten Wünsche, Protest, Trauer oder Hoffnung ihren Ausdruck finden, auch wenn Frauen sonst kaum Gehör fanden. Viele verdienten durch Stickerei Geld – besonders im 18. und 19. Jahrhundert war Handarbeit für unverheiratete oder verwitwete Frauen eine der wenigen Möglichkeiten, eigenständig ein Einkommen zu erzielen. Sticken wurde oft innerhalb von Familien von Mutter zu Tochter weitergegeben. Es war eine Form der Bildung und Selbstermächtigung – etwa über das Erlernen von Geduld, Präzision, Ausdauer und Gestaltung. In traditionellen Mustern steckt oft kulturelles und weibliches Erfahrungswissen, das mündlich nicht weitergegeben wurde.
Sticken war mehr als Zierde – es war ein stilles, oft unterschätztes Mittel weiblicher Selbstbehauptung, ein Werkzeug zum Überleben in patriarchalen Strukturen, zur Teilhabe an Kultur und zur Wahrung von Würde unter schwierigen Bedingungen.